Wem nützen Transfergesellschaften?

Transfergesellschaften sind arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die bei größerem Stellenabbau in Unternehmen greifen. An ihnen sind daher entscheidend die beiden Sozialpartner Arbeitgeber und Arbeitnehmer beteiligt. Der Nutzen einer  Transfergesellschaft (TG) und der Transferberatung wird  daher zumeist aus den Blickwinkeln der abgebenden Unternehmen sowie der betroffenen Mitarbeiter betrachtet. Diese Aspekte möchte ich in der Folge erläutern, ihnen aber einen dritten Aspekt hinzufügen, der bisher unterbelichtet geblieben ist, aber im Zuge des oft beklagten Fachkräftemangels zunehmend an Bedeutung gewinnt: der Nutzen der TGs für die Unternehmen, die Personal suchen.

Die Darstellung gliedert sich daher in drei Teile: Im ersten Abschnitt betrachten wir den Nutzen für die Unternehmen, die Personal abbauen, um sodann auf die davon betroffenen Mitarbeiter einzugehen, bevor wir im dritten Teil den gesamtwirtschaftlichen Nutzen der Transfergesellschaften erörtern.  

Würfel mit der Aufschrift benefit

Nutzen für personalabgebende Unternehmen

Gründe, die Personalabbau notwendig machen, kann es viele geben. Unternehmen müssen flexibel auf Veränderungen in den Märkten reagieren, aber etwa auch auf technische Neuerungen oder politische Entwicklungen. Sie müssen dafür ihre Produktions- und Personalkapazitäten anpassen können. Will man eine Erosion der Festbeschäftigung verhindern, muss den Unternehmen ein Instrument zur Verfügung stehen, das es erlaubt, auch Eingriffe in feste Beschäftigungsverhältnisse vorzunehmen, ohne dafür öffentlich sanktioniert zu werden. Ein derartiges Instrument stellen Transfergesellschaften dar.

Die Vorteile für die Einrichtung einer TG seitens der Unternehmen liegen in der Schnelligkeit, mit der diese eine Anpassung des Personalbestandes erlaubt, darüber hinaus in der finanziellen und rechtlichen Sicherheit, die diese bietet. Ist der Entschluss zum Personalabbau gefasst, soll dieser schnell und reibungslos erfolgen, um größere Unruhe im Betrieb zu vermeiden. Diese entsteht, so lange nicht klar ist, welche Mitarbeiter von der Maßnahme betroffen sind. Weiter dann auch noch in der Zeit, in der die betroffenen Mitarbeiter noch im Betrieb verbleiben.

Der Übertritt der Mitarbeiter in eine TG wird durch einen Vertrag geregelt und kann daher bei Zustimmung aller Vertragsparteien kurzfristig erfolgen. Bei der Gestaltung des Vertrages werden die individuellen Kündigungsfristen berücksichtigt, spielen aber für das Übertrittsdatum keine Rolle spielen. Mit Vertragsunterzeichnung verlassen die Mitarbeiter das Unternehmen und verzichten gleichzeitig auf den weiteren Rechtsweg. Die Regelungen zur Transfergesellschaft im SGB III bieten für dieses Verfahren einen auf die jeweilige Situation adaptierbaren, aber klar geregelten Rahmen, der schnell installiert werden kann. 

Mit dem Übertritt der betroffenen Mitarbeiter in die TG ist für das Unternehmen Rechtssicherheit hinsichtlich Kündigungsschutzklagen gewährleistet, da die Mitarbeiter als Voraussetzung für die Teilnehme an der TG auf den Rechtsweg verzichten. Im Gegenzug werden die betroffenen Mitarbeiter in der TG für in der Regel bis zu 12 Monate weiter beschäftigt und erhalten Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung. Im Rahmen des betrieblichen Interessenausgleichs wird zudem meist eine Abfindungsregelung ausgehandelt, was den Übertritt in die TG für die Mitarbeiter attraktiv macht.

Damit kommen oft nicht unerhebliche Kosten für die Maßnahme auf das Unternehmen zu. Den Kosten stehen jedoch die oben bereits erwähnten Vorteile für das Unternehmen gegenüber: Rechtssicherheit, Ruhe in der Belegschaft, Schnelligkeit der Abwicklung. Zudem sind alle Kosten für TG und Abfindung von vorneherein fest kalkuliert, so dass es keine unvorhersehbaren finanziellen Risiken gibt.

Auch beteiligt sich unter gewissen Bedingungen die Agentur für Arbeit an der Einrichtung von Transfergesellschaften. Sie werden als arbeitsmarktpolitisches Instrument gefördert, um die Auswirkungen von größeren Entlassungswellen auf die Belegschaft abzumildern und zugleich die Unternehmen beim Strukturwandel zu unterstützen. So übernimmt die AfA zwar nicht die Abfindungen für die Mitarbeiter, beteiligt sich aber an den Lohnkosten in der TG zu einem großen Teil, sowie an den Beratungs- und Verwaltungskosten. 

Neben diesen „harten Faktoren“, Schnelligkeit, Rechtsicherheit und Kalkulationssicherheit gibt es einen weiteren nicht zu unterschätzenden Nutzen, den eine TG für ein Unternehmen besitzt. Es kann sich durch die Einrichtung einer TG als sozial verantwortungsvoll handelndes Unternehmen präsentieren. Es sorgt für seine oft langjährigen Mitarbeiter, setzt diese nicht einfach auf die Straße, sondern unterstützt sie bei der beruflichen Neuorientierung. Dies hilft einerseits den Betriebsfrieden im Inneren und zugleich das Ansehen in der Öffentlichkeit zu wahren. Das ist primär wichtig in Hinblick auf die Kunden, die ihre Kaufentscheidung auch oft vom Marken- bzw. Unternehmensimage abhängig machen. Zudem bleibt die Attraktivität als Arbeitgeber gewahrt, was für die Gewinnung bzw. Bindung von Fachpersonal in der Zukunft ein wichtiger Faktor ist, der entscheidend zum Unternehmenserfolg beiträgt.

Der Nutzen einer Transfergesellschaft für betroffene Mitarbeiter ein

Natürlich werden viele Mitarbeiter zunächst den finanziellen Aspekt des Übertritts in eine TG im Blick haben. Wie oben bereits erläutert, wird dieser zwischen den Sozialpartner verhandelt. Jeder Mitarbeiter bekommt auf dieser Basis ein individuelles Vertragsangebot, das er für sich unter Hinzuziehung von Anwälten und Steuerberatern durchkalkulieren kann. Das muss man jeweils im Einzelfall betrachten und die Vor- und Nachteile des Übertritts in die TG abwägen. Generelle Aussagen greifen nicht. Abseits dieser Aspekte bietet die TG aber einiges für die Neupositionierung der Mitarbeiter.

Den betroffenen Mitarbeitern gibt die Transfergesellschaft Zeit, den oft als schmerzlich empfunden Abschied aus „Ihrem“ Unternehmen zu verkraften, um sich dann neuen beruflichen Perspektiven öffnen zu können. Oftmals wird es von ihnen als Makel empfunden, vom Unternehmen freigesetzt zu werden, also nicht mehr gebraucht zu werden. Auch wenn die objektiven Umstände andere Sichtweisen nahelegen, sitzt der Schmerz vielfach tief. Dabei leidet das Selbstbewusstsein sehr stark und die Zukunftsaussichten werden pessimistischer beurteilt, als es den realen Verhältnissen am Arbeitsmarkt entspricht. 

In der Transfergesellschaft erhalten die Betroffenen Gelegenheit, in Gesprächen mit den Coaches sowie mit anderen Betroffenen, die Trennung vom bisherigen Arbeitgeber zu verarbeiten und sich für neue Aufgaben zu öffnen. Insbesondere wird dabei ein Schwerpunkt darauf gelegt, das Selbstbewusstsein zu stärken. Die Besinnung auf die eigenen Stärken und Fähigkeiten ist es, die hier nachhaltig und dauerhaft wirkt und über das Gefühl des „Nicht-mehr-gebraucht-Werdens“ hinweghilft.

„Erkenne Dich selbst“ stand schon am Eingang zum delphischen Orakel und lenkte den Blick der Ratsuchenden auf das eigene Selbst. Dieser Rat trifft in besondere Weise für die berufliche Neuorientierung zu, wo es darum geht, mit den vorhandenen Erfahrungen und Qualifikationen eine neue berufliche Perspektive zu eröffnen. 

Die Beratung in der TG setzt genau hier an. Sie setzt sich zum Ziel, die Betroffenen zu stärken und ihre Selbständigkeit in diesem Prozess zu erhöhen: Aktivierung statt Entmündigung. Die Mitarbeiter sollen aktiviert werden, neue berufliche Ziele in den Blick zu nehmen und diese erfolgversprechend am ersten Arbeitsmarkt zu verfolgen. Hierfür erhalten die Teilnehmer an der TG neben kompetenter Unterstützung auch die notwendige Zeit, um sich auf die neue Situation einzustellen und neue Ziele in den Blick zu nehmen. Die Laufzeit der Transfergesellschaft kann in der Regel bis zu 12 Monaten betragen, wobei ein früherer Austritt natürlich jederzeit möglich ist.

Der Weg beginnt mit dem Profiling, das bereits vor dem Eintritt in die Transfergesellschaft stattfindet und in dem eine erste Bestandsaufnahme der wichtigsten Fähigkeiten und Stärken vorgenommen wird. Die Arbeit daran wird in den beruflichen Orientierungs- und Bewerbertrainings intensiviert. Im Mittelpunkt steht die Erarbeitung beruflicher Potenziale, um auf dieser Basis arbeitsmarktgerechte Ziele zu formulieren. Diese Ziele können auch zu einer völligen beruflichen Neuorientierung führen oder im Aufbau einer beruflichen Selbständigkeit liegen. 

Berufliche Veränderungen verbunden mit der Suche nach adäquaten Beschäftigungen in anderen Branchen oder Unternehmensstrukturen kann eine Ergänzung der bereits vorhandenen Qualifikationen erforderlich machen. Zur Anpassung der Fähigkeiten und Qualifikationen an die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt können Weiterbildungen innerhalb der Transferzeit absolviert werden. Eine qualifizierte Weiterbildungsberatung und die Auswahl geeigneter Bildungsträger erfolgt durch die Berater in der Transfergesellschaft.

Die Transferberater begleiten und fördern den gesamten Umsetzungsprozess der gefassten Ziele. Durch Erstellung und stetige Optimierung der Bewerbungsunterlagen wird im Coachingprozess ein überzeugender Auftritt als qualifizierte Fachkraft auf dem Arbeitsmarkt kreiert. Dazu gehört neben dem Screening der ausgeschriebenen Stellen in den einschlägigen Stellenmärkten und der Suche nach geeigneten Unternehmen für Initiativbewerbungen, auch die Vorbereitung von Vorstellungsgesprächen. Begleitet wird dies durch die stete Arbeit an den „soft skills“.

Die Beratung kann aber auch die Unterstützung bei der Abfassung von Businessplänen und Förderanträgen für Existenzgründungen umfassen. Coaches können als kompetente Ansprechpartner wertvolle Unterstützung leisten, da sie die Planung neutral und kritisch mit wertvollen Tipps begleiten können.

Der Nutzen einer Transfergesellschaft für die betroffenen Mitarbeiter lässt sich als zusammenfassend auf drei Stichworte bringen: Trennungsbewältigung, Unterstützung bei der beruflichen Neuorientierung inklusive Qualifizierung und Begleitung bis zur erfolgreichen beruflichen Neupositionierung.   

Der volkswirtschafltiche Nutzen einer Transfergesellschaft

 Zumeist wird der Nutzen einer Transfergesellschaft für die Volkswirtschaft darauf reduziert, dass sie den Strukturwandel fördern, weil Personalanpassungsmaßnahmen reibungsloser umgesetzt werden können. Was in der Diskussion um Transfergesellschaften ausgeblendet bleibt, ist deren Nutzen für die Wirtschaft in Hinblick auf die Deckung des Arbeitskräftebedarfs. 

In Zeiten, die durch relative Vollbeschäftigung und einen Mangel an Fachkräften gekennzeichnet sind, fallen den TGs wichtige Aufgaben zu, die für die Volkswirtschaft als ganze einen Mehrwert schaffen. Denn TGs tragen dazu bei, die Zeiten des Beschäftigungsübergangs der Arbeitnehmer von einem Unternehmen zum anderen zu minimieren und zugleich, die Fachkräfte nicht nur möglichst schnell, sondern überhaupt erst wieder in adäquate Beschäftigungsverhältnisse zu reintegrieren.  Dadurch können sie ihr Fachwissen optimal einsetzen und stärken als Fachkräfte mit Erfahrung die Wirtschaft. Betriebswirtschaftlich gesprochen kann der Verlust wertvollen Humankapitals durch Beschäftigung der Mitarbeiter unter ihrem Kenntnis- und Leistungsniveau dadurch vermieden werden. Sowohl die schnellere Vermittlung in neue Arbeitsverhältnisse wie auch die zielgerichtete Vermittlung in qualifizierte Arbeitsverhältnisse gehört zu den Zielen der Transfergesellschaft.

Für eine erfolgreiche Neupositionierung sind mehrere Faktoren entscheidend. Zum einen müssen die Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt präsent sein. Das heißt, sie müssen sich bei geeigneten Unternehmen auf Stellenanzeigen oder auch initiativ vorstellen bzw. sich in sozialen Netzwerken präsentieren (XING, LinkedIn), so dass sie den Recruitern überhaupt erst bekannt werden. Weiterhin müssen sie für diese als Fachkräfte erkennbar sein, was erhöhte Anforderungen an den Bewerbungsauftritt stellt. Die Bewerbungsunterlagen müssen entsprechend dem Qualifikationsniveau, also aussagekräftig und positionsangemessen aufbereitet sein; auch der persönliche Auftritt im Vorstellungsgespräch, den viele langjährig beschäftigte Mitarbeiter nicht gewohnt sind, soll professionell sein.  Erst dadurch werden den Personalentscheidern der personalakquirierenden Unternehmen die relevanten Informationen zur Verfügung gestellt, um die Kandidaten in ihrem Fachwissen und dem Wert für ihr Unternehmen realistisch und optimal einschätzen zu können.

Hinsichtlich beider Faktoren kann die TG durch qualifizierte Unterstützung der Bewerber in Trainings und Coaching Wesentliches leisten. Zudem werden die Teilnehmer bei der beruflichen Neuorientierung innerhalb der TG unterstützt und die Motivation zur Neuaufnahme einer Beschäftigung erhöht. Oftmals fehlen gerade den langjährigen Beschäftigten wichtigen Informationen über Strukturen und Möglichkeiten am Arbeitsmarkt, was zu Unsicherheiten führt.

Diese Informationsdefizite können in der TG sowohl durch die Berater wie durch geeignete Qualifizierungsmaßnahmen abgebaut und dadurch neue Perspektiven geöffnet werden. Auch die Offenheit für Branchenwechsel, neue Tätigkeiten und Beschäftigungsformen bis hin zu Existenzgründungen steigt dadurch. Diese Maßnahmen führen insgesamt zu einer schnelleren Besetzung von vakanten Positionen und zur erhöhten Bereitschaft von Unternehmensneugründungen, wodurch das vorhandene Fachwissen der Kandidaten für die Wirtschaft produktiv bleibt.

Ergänzend helfen direkte Kontakte der Transfergesellschaften mit den Personalentscheidern der Unternehmen, durch die auf direktem Wege Informationen über vakante Stellen an Bewerber gelangen. Im Gegenzug erhalten die Unternehmen Zugang zu Profilen qualifizierter Bewerber, was den Rekrutierungsprozess beschleunigt. Die TGs haben hierbei gegenüber der Afa strukturelle Vorteile. Da die Kandidaten direkt aus oftmals langdauernden Beschäftigungsverhältnissen stammen, entfallen einige der Vorurteile, die seitens der Unternehmen oftmals gegenüber Bewerbern gehegt werden, die über die Afa vermittelt werden. Zudem arbeiten TGs unternehmensbezogen und nicht wie die AFA wohnortbezogen, so dass die Kandidatenpools homogener und für die Unternehmen hinsichtlich der Branchenkenntnisse und Profile leichter einzuordnen sind. Oft werden gezielt Kandidaten aus bestimmten Unternehmen angefragt, weil man diese Unternehmen kennt und das dort verwendete Knowhow schätzt. Hinzu kommt der geringere Betreuungsschlüssel der TGs gegenüber der Afa, so dass die jeweiligen Betreuer konkrete Aussagen zu den jeweiligen Kandidaten treffen und die Personalentscheider inhaltlich bei der Auswahl unterstützen können. Dadurch können die TGs wertvolle Ansprechpartner für die Unternehmen sein und zur schnellen Besetzung von qualifizierten Vakanzen effizient beitragen.

Ekkehart Schaffer

Dr. Ekkehart Schaffer

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