Immanuel Kant hat im achtzehnten Jahrhundert in seiner Kritik der reinen Vernunft (KrV A 805/B 833) drei Fragen formuliert, die bis heute als wesentliche Fragen der Philosophie angesehen werden können:
- Was kann ich wissen?
- Was soll ich tun?
- Was darf ich hoffen?
In der Systematik seines Werkes entsprechen Kants Fragen den drei Hauptvermögen des Menschen als denkendem Lebewesen: dem Verstand als Mittel des Erkennens der Natur, der Vernunft, die dem Menschen das Reich der Freiheit eröffnet und der Urteilskraft, die beide Vermögen verbindet. Auch wenn die Fragen in Kants Systematik ihren Ursprung haben, loten sie auch heute noch das Gebiet der Philosophie aus.
Was kann ich wissen?
Schon aus den frühesten Überlieferungen der griechischen Philosophie sind Reflexionen überliefert, was die Welt eigentlich ist und wie wir sie erkennen können. Am Anfang stand mehr die Frage nach dem Wesen der Welt im Vordergrund: ob sie im Grund etwa stofflich oder ideell ist. Das ist bis heute noch aktuell: der Streit zwischen Materialismus und Idealismus ist keineswegs entschieden.
Später kamen dann Fragen der Erkenntniskritik hinzu: wie ist es uns möglich Zugang zur Welt zu bekommen und wo sind die Grenzen unserer Erkenntnis. Gerade Kant hat hier bahnbrechendes geleistet und die Diskussion auf eine neue Stufe gehoben, die sich in der zeitgenössischen Erkenntniskritik und Wissenschaftstheorie bis heute fortsetzt.
Was soll ich tun?
Für sich hat Kant diese Frage klar beantwortet: der Mensch unterliegt als vernünftiges Lebewesen dem Sittengesetz, das er sich kraft seiner Freiheit geben kann. Er formuliert es als kategorischen Imperativ, dem zu folgen, in der Pflicht des Menschen liegt. Diese Antwort, so stringent sie in Kants System ist, ist aber nicht unwidersprochen. Es ist umstritten, ob und womit sich Moral begründen lässt. Hier gibt es unterschiedliche Modelle. Sie gehen z.B. von vertraglichen Übereinkünften zwischen Individuen (Vertragstheorie) oder Nutzenerwägungen (Utilitarismus) als Grundlagen für Normen aus. Die Frage nach der Begründung von Normen wird nicht nur für die Individuen, sondern auch für die gesellschaftliche Ebene kontrovers diskutiert und greift über in die politische Philosophie, wo es um Grundlagen des Zusammenlebens geht. Hier sind Freiheit und Gerechtigkeit umstrittene Begriffe, die der Abwägung bedürfen.
Neben den moralischen Erwägungen beschäftigt die Frage des guten Lebens die Philosophie seit der Antike. Kant kennt zwar auch die Glückseligkeit als höchstes Ziel des Menschen als Naturwesen. Das spielt aber für ihn keine Rolle, da der Mensch nur der Pflicht gegenüber dem Sittengesetz unterworfen ist. Anders ist es etwa bei Aristoteles, der in seiner Nikomachischen Ethik Grundätze für das gute Leben aufstellt. Er hat damit eine Tradition des Nachdenkens über das gute Leben eröffnet, die bis in die Gegenwart reicht. Die Frage nach dem guten Leben bewegt Menschen bis heute und Bücher dazu tauchen auch immer wieder auf den Bestsellerlisten auf.
Was darf ich hoffen?
Eine Frage, die sich jedem von uns angesichts der Endlichkeit des Lebens stellt, und die jeder letztlich für sich beantworten muss. Sei scheint jedenfalls wesentlich für die Menschheit zu sein. Zu allen Zeiten hat man sich Gedanken darüber gemacht, was von uns bleibt und was mit uns geschieht. Die verschiedenen Religionen geben darauf Antworten, aber auch einige Wissenschaften erheben den Anspruch, diese Frage beantworten zu können.
Kant selbst fasst die Frage enger. Er fragt danach, ob unser moralisches Handeln uns auch glücklich machen kann. Er führt das Ideal eines höchsten Gutes an, das Glückseligkeit entsprechend dem moralischen Wert der Individuen verteilt- was für ein schöner Gedanke. Aber auch damit ist die Frage nicht abschließend und für jedermann beantwortet.
Allerdings hat die Frage nach der Hoffnung angesichts der Klimakatastrophe für uns scheinbar eine besondere Aktualität gewonnen. Betrachtet man die Beschleunigung der Klimaveränderung, befürchtet man, dass man für die Zukunft unseres Lebens hier auf Erden kaum Gutes erhoffen kann. Die Philosophie kann das Geschehen nur denkerisch begleiten und den menschlichen Umgang mit der Natur reflektieren.
Die Aktualität von Kants Fragen der Philosophie
Dabei bleiben auch die anderen kantischen Fragen weiter unvermindert aktuell. Dass wir uns auf dem Gebiet der Ethik der Verantwortung gegenüber der Natur und zukünftigen Generationen bewusst werden müssen, sollte jedem klar sein. Auch, dass angesichts der Masse der Menschen die Verantwortung für das eigene Tun nicht sinkt, sondern steigt, und jeder sein individuelles Glücksstreben den Notwendigkeiten anzupassen hat.
Die Philosophie der Gegenwart muss hier vielleicht tiefer ansetzen und sich auf ihre Fragen neu besinnen. Wir müssen dann in die ethische Frage auch die Frage danach mit einbeziehen, wie wir uns die Welt erschließen. Vielleicht ist in der Weise, die Welt mit dem Verstand zu erschließen, der Miss- oder Verbrauch der Natur bereits als Möglichkeit angelegt. Oder sind vielleicht die Schäden, die wir in der Natur anrichten, sogar direkte Folgen unseres tradierten Zuganges zur Welt? Das sind Fragen, die Heidegger in seiner Technikkritik aufwirft und eine ganz neue Verbindung zwischen dem, was wir wissen können und unserem Tun aufzeigt. Sie zu beantworten wird eine Neubestimmung des Zusammenhangs der drei kantischen Fragen der Philosophie notwendig machen. Ob sich das lohnen wird, kann sich nur in der weiteren Diskussion zeigen.