Moralisch Handeln in der Natur

Für Immanuel Kant ist der wesentliche Schritt zur Humanität die Erkenntnis des Vorrechtes des Menschen, die Natur für seine Zwecke zu gebrauchen. In seiner Schrift über den mutmaßlichen Anfang der Menschengeschichte nimmt er dabei Rekurs auf die Bibel und greift zu pathetischen Worten:

Moralisches Handeln in der Natur
Immanuel Kant: Mutmalicher Anfang der Menschengeschichte, A10

Hat der Mensch unbegrenzte Gewalt über die Natur?

Aufgrund dieses Zitats scheint der Fall klar zu sein: Kant proklamiert die freie Verfügungsgewalt des Menschen über die Natur, wie die Formulierung: „zur Erreichung seiner beliebigen Absichten“, nahelegt. Aber das ist zu kurz gedacht; so einfach macht Kant es uns nicht. Im zweiten Teil seiner Kritik der Urteilskraft in den §§82-84, setzt er sich mit Zwecken in der Natur auseinander und knüpft in diesem Zusammenhang unser Verfügungsrecht über die Natur an Bedingungen.

Der Begriff des Zweckes

Zwecke sind für Kant in der Natur nicht objektiv fassbar. Er geht davon aus, dass die Natur allein den Naturgesetzen unterworfen ist. Alles was in der Natur geschieht ist durch sie erklärbar. Nur auf die Naturgesetze kann ein Wahrheitsanspruch gegründet werden. Der Begriff des Zweckes hat hier daher zunächst keinen Platz.

Dennoch führt Kant ihn in seiner Kritik der Urteilskraft ein, weil er sieht, dass ohne ihn nicht alles erklärbar ist. Es sind Organismen, die ohne den Begriff des Zweckes nicht fassbar sind. Der Organismus ist mehr als die Summe der Teile, weil alle Teile aufeinander bezogen sind. Um dies zu erklären, greift Kant auf den Begriff „Zweck“ zurück, schreibt ihm aber nur regulative Bedeutung zu. Das heißt, er hat Bedeutung für unser Handeln, darf aber keine Wahrheit für sich beanspruchen. Dennoch arbeitet Kant mit diesem Begriff als regulativem Prinzip.

Zweckmäßigkeit in der Natur

Zweckmäßigkeit gibt es in zweierlei Ausprägung, als innere Zweckmäßigkeit der Organismen, sowie als äußere Zweckmäßigkeit eines Dinges oder eines Lebewesens für einen anderen Organismus. Wenn man von äußerer Zweckmäßigkeit in der Natur ausgeht, stellt sich für Kant zwangsläufig die Frage nach einem letzten Zweck der Natur, von dem aus kein Verweis auf einen weiteren Nutzen möglich ist. Denn es ist für ihn unvorstellbar, dass die Zweckrelationen ins Unendliche weitergehen. Aber wo ist dann der letzte Zweck? Innerhalb der Natur gibt es keinen Hinweis, dass der Mensch Endzweck sein könnte, weil er durch die Natur in keiner weise begünstigt ist. Den Naturgewalten ist er genauso wie alle anderer Organismen unterworfen.

Dennoch muss der Endzweck mit dem Menschen identifiziert werden. Das hat zwei Gründe. Zum einen, weil dieser sich als einziger sich einen Begriff von Zwecken machen kann, insofern er nicht nur über Verstand, sondern auch Vernunft verfügt. Zum anderen, und das ist das stärkere Argument, weil der Mensch als Vernunftwesen gemäß der zweiten Fassung des kategorischen Imperativs niemals nur Mittel für einen Zweck sein kann.

Die Rolle des Menschen in der Natur

Der Mensch ist eben mehr als nur Naturwesen. Als vernünftiges Lebewesen ist der Mensch nicht mehr Teil der Natur, sondern im Reich der Freiheit. Er ist hier nur dem Sittengesetz unterworfen, das er sich in Freiheit in Form des kategorischen Imperatives selbst gibt. Damit ist aber seine Verfügungsgewalt an eine Bedingung geknüpft: letzter Zweck der Natur ist der Mensch nur, insofern er sich als moralisches Subjekt verhält.

Die Zweckmäßigkeit in der Natur kann dann so interpretiert werden, dass sie die Existenz eines vernünftigen Lebewesens  und  moralisches Verhalten ermöglicht. . Hier klingt der Geschichtsoptimismus durch, den Kant in seiner Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht formuliert hat.

Moralisch Handeln in der Natur ist Pflicht

Kommen wir auf unseren Zusammenhang der Verfügungsgewalt über die Natur zurück. Diese ist also an die Pflicht zur Befolgung des Sittengesetzes geknüpft. Es ist hier insbesondere an diese Fassung des kategorischen Imperatives zu erinnern: „Handle so, dass alle Maximen aus eigener Gesetzgebung zu einem möglichen Reich der Zwecke als einem Reiche der Natur zusammenstimmen.“ Die Handlungen des Menschen als Endzweck der Natur müssen also immer zu einem harmonischen Zusammenleben aller Organismen beitragen. Ein Werkzeug zu beliebigen Absichten, wie es im Eingangszitat heißt, darf die Natur also für den Menschen niemals sein – ein gerade für die Gegenwart wichtiger Gedanke.

 

Lesen Sie hier weiter zu den drei Kantischen Fragen.

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