Hegels Heraklitinterpretation

„Hier sehen wir Land; es ist kein Satz des Heraklit, den ich nicht in meine Logik aufgenommen habe.“49 Mit diesen beinahe euphorischen Worten charakterisiert Hegel seine Beziehung zur Philosophie Heraklits. Die besondere Bedeutung die Hegel Heraklit hier zuweist, resultiert daraus, dass Hegel im Prinzip des Heraklit – dem Werden – die erste Synthese in der Stufenleiter der Dialektik, „das erste Konkrete, die erste Einheit entgegengesetzter Bestimmungen“50 erblickt. Diese Einordnung Heraklits in den Fortgang der Dialektik setzt die Parallelität von Logik und Philosophiegeschichte voraus, wie sie Hegel postuliert. Aus dieser Perspektive bestimmt Hegels Heraklitinterpretation das Werden zum Prinzip Heraklits.

Hegel

Widerspruch in der Einordnung der Zeit

Wenn er jedoch im weiteren Verlauf seiner Interpretation, im zweiten Teil des Heraklit-Kapitels der Vorlesung, die Philosophie Heraklits in die Tradition der ionischen Naturphilosophie stellt und die Zeit zum naturphilosophischen Ausdruck des Werdens stempelt, setzt er sich in Widerspruch zu seinem eigenen System. Dieser Widerspruch ist innerhalb des Systems der Logik nicht auflösbar, denn Hegel gelingt es nicht das Phänomen der Zeit als Geschehen zu erfassen.51 Stattdessen wird die Zeit geschichtsphilosophisch in den Raum überführt, wobei es Hegel jedoch nicht gelingt, das Problem der Zeit als Bedrohung des Lebens zu bewältigen.

Der Ursprung des Widerspruchs zwischen der Einordnung der Zeit und der Einordnung desWerdens in das System lässt sich nur historisch, durch die Entwicklung des Hegelschen Systems erklären.52 Der dritte Teil des Heraklit-Kapitels der Vorlesungen legt eine historische Vorgehensweise nahe, denn er nimmt die Heraklit-Interpretation von einem neuen Prinzip, dem Prinzip des „Logos“ neu auf. Dieses neue Prinzip, das auf der Basis der Logik mit dem Prinzip des Werdens nicht vereinbar ist, trennt den dritten Teil von den beiden vorhergehenden und verweist auf Hegels frühes Werk.

Heraklitkapitel aus Hegels Frühwerk verstehen

Um diesen Widerspruch aufzulösen. wird zu zeigen sein, wie von Hegels frühem Denken aus die Heraklit-Interpretation Hegels als Einheit verstanden werden kann, wie also das Prinzip des Logos das Prinzip des Werdens in sich aufnimmt und aus sich heraus erklärt, so dass das Heraklit-Kapitel Einheit und Zusammenhang gewinnt. Zu diesem Zweck ist das Heraklit-Kapitel der Vorlesungen von seinem Ende her zu lesen, vom dritten Teil her die ersten beiden Teile zu betrachten. Ein Verfahren, das an Hegels Rede vom zweifachen Anfang in seiner Logik von 1812 orientiert ist, wo der erste Anfang bei Parmenides vom anderen Anfang bei Heraklit in sich aufgenommen und dadurch aufgehoben wird.53 Wie dort die Heraklitische Philosophie gegenüber Parmenides, so nimmt hier der Logos das Prinzip des Werdens in sich auf, und hebt es auf, indem er das Werden aus sich heraus erklärt. In diesem anderen Anfang erlangt die Heraklit-Interpretation Schlüssigkeit. Diese Lesart des Heraklit-Kapitels der Vorlesungen greift auf Hegels frühes System aus der Jenaer Zeit zurück, das im Verlauf von Hegels Schaffen bis in die Berliner Zeit wesentlich umgestaltet worden ist, wodurch dasursprünglich an der griechischen Seinserfahrung orientierte Denken Hegels umgestaltet und insbesondere die Zeitauffassung Hegels wesentlich modifiziert worden ist.

Erster und anderer Anfang

Um diesen Widerspruch aufzulösen. wird zu zeigen sein, wie von Hegels frühem Denken aus das Heraklitkapitel Hegels als Einheit verstanden werden kann, wie also das Prinzip des Logos das Prinzip des Werdens in sich aufnimmt und aus sich heraus erklärt, so dass das Heraklit-Kapitel Einheit und Zusammenhang gewinnt. Zu diesem Zweck ist das Heraklit-Kapitel der Vorlesungen von seinem Ende her zu lesen, vom dritten Teil her die ersten beiden Teile zu betrachten. Ein Verfahren, das an Hegels Rede vom zweifachen Anfang in seiner Logik von 1812 orientiert ist, wo der erste Anfang bei Parmenides vom anderen Anfang bei Heraklit in sich aufgenommen und dadurch aufgehoben wird.53 Wie dort die Heraklitische Philosophie gegenüber Parmenides, so nimmt hier der Logos das Prinzip des Werdens in sich auf, und hebt es auf, indem er das Werden aus sich heraus erklärt. In diesem anderen Anfang erlangt die Heraklit-Interpretation Schlüssigkeit. Diese Lesart des Heraklit-Kapitels der Vorlesungen greift auf Hegels frühes System aus der Jenaer Zeit zurück, das im Verlauf von Hegels Schaffen bis in die Berliner Zeit wesentlich umgestaltet worden ist, wodurch dasursprünglich an der griechischen Seinserfahrung orientierte Denken Hegels umgestaltet und insbesondere die Zeitauffassung Hegels wesentlich modifiziert worden ist.

Fortgang der Abhandlung

Nach einem kurzen Überblick über Hegels Tätigkeit als Philosophiehistoriker und die Editionslage der Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie ist in einem ersten Schritt Hegels Theorie der Geschichte der Philosophie aus der späten Zeit darzustellen und damit zugleich der methodische Zugang Hegels zur Philosophie Heraklits freizulegen, den Hegel in der Einleitung in seine Vorlesung darstellt. Von dort aus wird der erste Interpretationsversuch aus der Perspektive des späten Systems unternommen werden, der in der Aporie endet, dass die Zeit, die Hegel als naturphilosophische Manifestation von Heraklits Prinzip ansieht, nicht die dritte, sondern die zweite Stufe in Hegels System repräsentiert.

Von diesem Widerspruch aus wird ein zweiter Interpretationsversuch mit dem Logos als Prinzip ausgehen. Er nimmt sich die Einleitung in die griechische Philosophie in Zusammenhang mit der Theorie der Mnemosyne in der Phänomenologie und den Jenaer Schriften zur Grundlage. In diesem zweiten Interpretationsgang wird der verborgene Zusammenhang der drei Teile des Heraklit-Kapitels der Vorlesungen deutlich werden und dabei zugleich die bei Hegel aufgehobene griechische Seinserfahrung zu Tage treten. Im dritten Teil wird dann anhand der Verschiebung in der Konzeption von Hegels System, insbesondere in Bezug auf die Sprache, zu erklären sein, weshalb Hegel sich in seiner Heraklit-Interpretation in Widersprüche verwickelt hat.

Das ist der Anfang des zweiten Teils einer Abhandlung zu Hegels und Nietzsches Heraklitinterpretation.

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