Hegels Dialektik: Wie entwickeln wir uns weiter?

In unserem Leben werden wir ständig vor neue Situationen und Herausforderungen gestellt. Hegels Dialektik hilft uns, diese persönliche Weiterentwicklung nachzuvollziehen und konstruktiv damit umzugehen.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Auf den ersten Blick mag es befremdlich erscheinen, hierfür auf eine philosophische Methode zurückzugreifen, die in ihrem Ursprung 2000 Jahre und in der hegelschen Modifikation immerhin 200 Jahre alt ist. Aber eine der Grundfragen der Dialektik ist die philosophische Frage nach der Einheit in der Vielheit. Was so abstrakt klingt kann man auch in eine konkrete Frage umformulieren: wie schaffen wir es, immer die gleiche Person zu bleiben, obwohl wir in so vielen Kontexten handeln und uns ständig weiterentwickeln? Oder auch: wie schaffen wir es, uns selbst treu zu bleiben, wenn wir in eine neue Umgebung kommen? Das lässt sich mit Hilfe von Hegels Dialektik erklären.

Der Begriff der Negation

Wenn wir uns auf etwas einlassen, was uns von außen entgegenkommt, verändert uns das. Je mehr wir uns darauf einlassen, desto mehr stehen wir in der Gefahr unser bisheriges Leben zu verlassen. Augenfällig ist das, wenn wir etwa in eine neue berufliche Position kommen, die uns vollkommen fordert. Dann müssen wir aufpassen, dass wir davon nicht ganz aufgesogen werden und uns in ihr verlieren. Aber auch jedes Mal, wenn wir uns Ziele setzen und etwas Neues lernen, geschieht das im Kleinen. Wenn wir uns mit Haut und Haar auf das Spanischlernen einlassen und nur noch spanisch sprechen, steht das unserem Umgang mit der Muttersprache im Wege und verändert ihn vielleicht auch.
Das Neue steht also immer in einem Konflikt zum Althergebrachten, zu dem wie es bisher war. Es stellt uns als Person in der Kontinuität unsren bisherigen Lebens in Frage. Dieses Geschehen beschreibt Hegels Dialektik unter dem Begriff der Negation. Das, was uns als Fremdes oder Neues gegenübertritt, negiert das Bisherige.

Die Notwendigkeit der Negation in Hegels Dialektik

Es ist ein reales Problem, das sich uns hier stellt. Verlieren wir uns an das Neue, bleibt unser bisheriges Selbst auf der Strecke. Aber um Neues kennenzulernen, muss man sich darauf einlassen. Die Negation ist daher ein notweniger Schritt im Entwicklungsgang. Wenn wir uns also weiter entwickeln wollen, müssen wir uns in diese Weise immer wieder aufs Spiel setzen. Sonst erleben wir keinen Fortschritt.

Die Negation der Negation

Allerdings dürfen wir uns nicht dauerhaft verlieren. Wir müssen uns darauf zurückbesinnen, was und wer wir sind, und welchen Platz das Neue in unserem Leben haben kann. Wir müssen aus der Negation zurückkehren und diese mit dem ursprünglichen Zustand versöhnen, das Neue in unser bisheriges Leben integrieren.
In Hegels Dialektik heißt das die Negation der Negation. Es passiert also eine zweite Negation. Negiert wird in ihr die Absolutheit des Neuen, dass man sich nur darauf konzentriert, und das Alte vergisst. Vielmehr soll beides Teil unseres Lebens werden. Wenn das geschieht, verändert es uns, aber zugleich auch das neu Gelernte, weil es in einen neuen Kontext kommt. Man kann es als Versöhnung des Alten und des Neuen bezeichnen.
Diese Versöhnung in der Negation der Negation führt zu etwas gänzlich Neuem und bisher nicht Erreichten. In der Sprache der Hegels Dialektik ist dies die Synthesis, in der das Alte – die These – mit dem Neuen – der Antithese – auf einer höheren Ebene verschmilzt.

Das Konzept der Aufhebung in Hegels Dialektik

Was in der Negation der Negation geschieht, fasst Hegel unter dem Begriff der Aufhebung zusammen. Dieser Begriff beschreibt drei miteinander verbundene Wirkungen, alle im allgemeinen Sprachverständnis des Begriffes Aufhebung bzw. aufheben bereits angelegt sind. Alle drei Bedeutungen sind für unseren Zusammenhang wesentlich:

– Aufheben ist das Aufheben der alleinigen Gültigkeit: These und Antithese gelten nicht mehr, weil die Entwicklung schon zur Synthese weitergegangen ist; sie werden aufgehoben, wie ein Gesetz in seiner Gültigkeit aufgehoben wird;

– Aufheben ist das Aufbewahren des Bisherigen, das nicht vergessen wird, sondern als Vergangenes Teil unseres Lebens bleibt.

– Aufheben ist das Heben auf eine neue Stufe: man erreicht in der Synthese eine höhere Ebene, mit der zugleich ein Einwicklungsschritt verbunden ist.

Der Nutzen des Konzepts der Aufhebung

Den Prozess der Aufhebung in diesen drei Schritten bewusst nachzuvollziehen, führt zu einer Klarheit in der eigenen Entwicklung. Sie lässt sich auf diese Weise konstruktiv durchdenken und wertschätzend für die Vergangenheit abschließen. Das Neue bekommt einen Platz, ohne dass das Alte abgewertet wird. Das öffnet uns für Ziele und die Zukunft, in die wir die Errungenschaften der Vergangenheit bewusst mitnehmen. Die Struktur, die Hegels Dialektik uns vorgibt, hilft uns dabei. Sie kann daher auch ein wichtiges Element im Coaching sein.

Vgl. zum Konzept der Aufhebung:

G.W.F. Hegel: Die objektive Logik (1812/13; 1. A. 1831), in: Walter Jaeschke (Hg.): Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Gesammelte Werke Band 11, Hamburg 1978, 57f.

G.W.F. Hegel: Werke in 20 Bänden mit Registerband: gesamte Werkausgabe (suhrkamp taschenbuch wissenschaft), Frankfurt 1986

 

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