Völkisch oder vernünftig

Seit es Menschen gibt, gibt es Gruppen von Menschen, die sich qua Zugehörigkeit zu dieser Gruppe als privilegiert betrachten. Das kann auf religiösen, historischen oder ethnischen Gründen beruhen. Manche davon spiele heute kaum mehr eine Rolle in unserer Gesellschaft, wie etwa Adelsprivilegien.

Andere Privilegien erleben aber gerade eine Renaissance oder werden erst als solche entdeckt. Bei ersterem denke ich an das Völkische, bei zweitem an die Feinde der Gleichberechtigung verschiedener sexueller Lebensformen und des Genderns. Sie denken, dass sie von Natur aus gegenüber anderen  privilegiert sind, die nicht zu dieser Gruppe gehören.

Vernunftgesetz und Privilegien

Für Privilegien aufgrund von Zugehörigkeit qua Natur gibt es aber keine Vernunftgründe. Wenn man an die Vernunft appelliert, muss man Immanuel Kant ins Spiel bringen. Er hat mit einem kategorischen Imperativ in seinen drei Fassungen aus den Grundlegungen zur Metaphysik der Sitten den Maßstab gesetzt, an dem sich vernünftiges Handeln messen lassen muss.

Zugehörigkeit und Vernunftgesetz

Vor dem Sittengesetz sind alle Menschen gleich, da sie als vernunftbegabte Wesen diesem in gleicher Weise unterstehen. Das ist unabhängig davon, welcher Ehtnie oder welchem Geschlecht sie angehören, welchem Glauben sie anhängen oder welche Lebensform sie pflegen.

Dementsprechend gibt es keinen Rechtfertigung dafür, gewisse Volksgruppen oder Ethnien als minderwertig gegenüber anderen anzusehen. Konkret heißt das etwa, dass es keinen Vernunftgrund gibt, nach dem ethnische Deutsche per se mehr Wert sein sollen als eingewanderte Deutsche, oder Deutsche überhaupt besser sein sollen als Menschen aus anderen Ländern, woher sie auch seien..

Lebensform und Vernunftgesetz

Komplizierter verhält es sich, wenn man unsere Lebensformen hinsichtlich der Konformität mit dem Sittengesetz betrachtet. Hier ist es insbesondere die zweite Fassung des kategorischen Imperativs, die man in Betracht ziehen muss. Dem gemäß ist das Kriterium, an dem die Vernunft die Handlung überprüft, ob man mit den gleichen Entscheidungsgründen, mit denen man sich für die Handlung entscheidet, ein Naturgesetz begründen könnte.

Unsere Lebensweise widerspricht der Vernunft

Unschwer ist einzusehen, dass wir unsere Lebensweise in den industrialisierten Staaten mit dieser Fassung des kategorischen Imperativs kaum in Übereinstimmung bringen können. Denn wir sind gerade dabei, unsere natürlichen Lebensgrundlagen durch unsere Lebensweise zu zerstören. Diese Lebensweise kann man kaum als mit dem Vernunftgesetz vereinbar erklären. Denn es kann kein Naturgesetz sein, sein eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören, da es dem Ziel der Arterhaltung widerspricht.

Genderoffenheit und Vernunftgesetz

Unabhängig davon möchte ich aber auf die Genderoffenheit eingehen. Viele Feinde des Genderns und der Offenheit für Lebensformen wie die gleichgeschlechtliche Ehe argumentieren naturgesetzlich. Sie behaupten, dass nichtheterosexuelle Beziehungen widernatürlich sind, da sie dem Gesetz der Arterhaltung widersprechen.

Die neuere Medizin entkräftet aber dieses Argument. Denn mittels Samenspenden und künstlicher Befruchtung können auch homosexuelle Frauen Kinder gebären und homosexuelle Männer zur Arterhaltung beitragen. Ein Widerspruch gegen das Gesetz der Arterhaltung ist darin also nicht zu erkennen. Es gibt also keinen Vernunftgrund gegen nichtheterosexuelle Beziehungen.

Aus der Möglichkeit resultiert keine Pflicht

Aber natürlich kann man aus der Zulassung homosexueller Lebensgemeinschaften kein Naturgesetz ableiten, dass alle nach dieser Form leben müssen. Dann beginge man einen naturalistischen Fehlschluss. Nur weil es das gibt, kann es nicht für jeden verpflichtend sein. Der kategorische Imperativ, auch in der zweiten Fassung, ist also durchaus damit vereinbar, dass auch solche Lebensformen möglich sein sollen. Das widerspricht der Selbsterhaltung nicht.

Zugehörigkeit und individuelle Entscheidung

Warum aber gibt es dann in beiden Fällen Menschen, die sich vehement für das völkische Prinzip und gegen alternative sexuelle Lebensformen einsetzen, wobei beide Gruppen oftmals identisch sind? Dafür würde ich zwei Gründe annehmen. Zum einen ist es die Entlastung von der eigenen Entscheidung. Wer sich über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe definiert, gibt seine Individualität zu einem gewissen Grund auf. Er übernimmt die Normen der Gruppe als gut und muss sein eigenes Handeln nicht begründen, da sie für ihn auf einem vermeintlichen objektiven, oft durch die Tradition ererbten Prinzip beruhen. Das entbindet von der individuellen Vernunftentscheidung und öffnet in letzten Konsequenz die Bindung an ein Führerprinzip.

Was die Zugehörigkeit zudem attraktiv macht, ist folgendes: Wer sich einer privilegierten Gruppe anzugehören glaubt, fühlt sich per se hervorgehoben. Er muss selbst nichts leisten, um sich gegenüber den der Gruppe nicht zugehörigen Menschen überlegen zu fühlen. Seine individuelle Lebensleistung spielt dafür keine Rolle, egal ob er Nobelpreisträger oder Kleinkrimineller ist.

Das gilt hinsichtlich des völkischen Prinzips, die die ethnische Zugehörigkeit verabsolutieren. Aber in gleichem Maße gilt es für die Menschen, die glauben, sie würden aufgrund ihrer Lebensweise zu einer zu privilegierenden Normgruppe gehören, gegenüber der andere minderwertig seien.

Die Offenheit gegenüber Ethnien wie auch Lebensformen kann daher als vernünftig angesehen werden. Die Feindschaft dagegen ist unvernünftig und hat mindestens zwei gravierende Folgen:

  • Indem sie bestimmte Lebensformen verabsolutiert, werden Menschen diskriminiert und der gesellschaftlicher Zusammenhalt untergraben.
  • Weiterhin ist zu konstatieren, dass Zugehörigkeit als Prinzip das Leistungsprinzip untergräbt und damit sowohl den Fortschritt behindert als auch den Wohlstand mindert.
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