Heraklit nimmt neben Parmenides in der Geschichte der Philosophie eine herausragende Stellung ein. Mit ihnen beginnt die Philosophie sich ihrer selbst bewusst zu werden: „Beider Denken ist -„, so schreibt der Philosoph Klaus Held, „jedenfalls soweit wir das feststellen können – der früheste Versuch einer Rückwendung der beginnenden Philosophie und Wissenschaft auf sich selbst. Diese Rückwendung besteht darin, daß sich das Denken erstmals seiner Unterschiedenheit von der Erkenntnisart des vorwissenschaftlich-vorphilosophischen Lebens bewußt wird.“
Heraklits Sprachproblem
Diese Absetzung von der Alltagserkenntnis ist jedoch nicht unproblematisch. Die Probleme, die sich hier stellen, treten vor allem bei Heraklit auf, der chronologisch wohl vor Parmenides anzusiedeln ist.2 An erster Stelle sieht sich die Philosophie an ihrem Beginn einem Sprachproblem gegenüber. Die Sprache, in der sich das anfangende Philosophieren artikulieren muss, ist die Sprache des Epos. Gegenüber dem epischen Sprechen ist das philosophische Sprechen jedoch etwas ganz Neues. Zum einen versucht die Philosophie die Phänomene nicht mehr mythisch zu verklären, sondern sie auf ihre Gründe hin zu befragen und diese Gründe darzulegen. Damit verbunden ist die Tendenz vom Mündlichen hin zur Schriftlichkeit: nicht mehr der Sprecher, das im Augenblick vorübergehende Sprechen stehen im Vordergrund, vielmehr zielt das philosophische Sprechen auf das Verstehen des sich in ihm vernehmbar machenden. Die Abkehr vom mythischen Denken und zugleich die Ablösung des epischen Sprechens durch das logische Sprechen – damit einhergehend die Vermittlung von Wissen nicht mehr allein in Form der mündlichen Rede, sondern zunehmend schriftlich – sind Voraussetzungen der Philosophie.
Grunderfahrung sagbar machen
Für das Denken dieser Zeit stellen sich demzufolge zwei Aufgaben: einerseits muss die zuvor mythisch gebändigte Grunderfahrung des Werdens, das vor allem als Vergehen eine ständige Herausforderung des Menschen in der Suche nach dem Sinn seines Seins darstellt, logisch erfasst werden. Andererseits ist die Sprache, die dafür zur Verfügung steht, keine andere als die, der sich das Epos bedient hat. Die Herausforderung, die sich daraus ergibt, zielt in beide Richtungen: die Grunderfahrung des Lebens muss aus der mythischen Verklärung befreit werden. Zugleich ist das so Erfahrene denkerisch zu verarbeiten, und zwar in der Form des logischen Sprechens. Der anfangende Philosoph muss die Art und Weise des Philosophierens überhaupt, der denkerischen Auseinandersetzung mit dem vorgefundenen für sich erfinden und zugleich das Neue in der überkommenen Sprache sagbar machen.
Der Logos steht im Zentrum
In den Fragmenten Heraklits treten diese beiden Probleme deutlich hervor.3 Zur Bewältigung des Phänomens des Werdens bedient er sich des ‚Logos‘, in dem die Struktur der Wirklichkeit wie die Ausdrucksform des philosophischen Sprechens von der Sprache her in eins zusammengedacht sind. Das Problem der Angemessenheit der Sprache wie das Problem der erhöhten Sensibilität für die Wirklichkeit laufen bei Heraklit im ‚Logos, dem Medium des Diskurses mit und über die Wirklichkeit zusammen. Vom ‚Logos‘ aus wird die Zeit in ihrer Gegensatzstruktur über das Medium Sprache greifbar, das vom Primat des Hörens her aufgefasst werden muss.
Das ist der Anfang des ersten Teils einer Abhandlung zu Hegels und Nietzsches Heraklitinterpretation.